Der Ginkgo

Von Tobias Perlick

Mit dem Namen des Ginkgos habe ich einmal eine Wette gewonnen. Um einen Eisbecher. Und der hat gut geschmeckt. „Kommt erst das ‚g‘, oder erst das ‚k‘?“ – Antwort: erst das ‚k‘! Also ‚Ginkgo‘. Und das kam so:

Ein Mann namens Engelbert Kämpfer hatte im Jahre 1691 in Japan als erster Europäer den Ginkgo kennengelernt, ihn gezeichnet und beschrieben. Dazu hat er sich vorsprechen lassen, wie der Name dieses Baumes auf Japanisch klingt. In unseren Buchstaben hätte man das so geschrieben: gin-kyo, also mit Ypsilon. Kämpfer hat aber ein ‚g‘ geschrieben statt ein ‚y‘. Und niemand weiß warum. Später zu Hause kam es ihm schon komisch vor, doch da hatte er keinen Japaner mehr in seiner Nähe, um nachzufragen. So schreibt nun alle Welt den Namen dieses Baumes mit einem „falschen“ g. Doch wenn es alle machen, ist es nicht mehr falsch, es ist sogar offiziell richtig so.

Auf unserer Erde gibt es vielleicht hunderttausend Arten von Bäumen. Wir Menschen teilen sie gerne ein: Entweder ist es ein Laubbaum, oder es ist ein Nadelbaum. Doch noch bevor es die ersten Laubbäume gab, und noch bevor es überhaupt Nadelbäume gab, gab es schon den Ginkgobaum. Nur nannte ihn damals noch niemand mit diesem Namen. Der Ginkgo als Baumart ist älter als jede andere heute lebende Baumart. Er hatte viele Verwandte, die ihm ähnlich waren, die sind alle schon ausgestorben. Versteinerte Abdrücke findet man noch von ihnen. Der Ginkgo aber lebt und lebt und überlebt. Und sieht noch genauso aus wie damals. Er hat sich fast gar nicht verändert, obwohl sich um ihn herum fast alles veränderte.

Ist der Ginkgo also etwas Altes? Oder einfach etwas jung Gebliebenes? In seinen Blättern gibt es einen Saft, der tatsächlich jünger machen kann. Er lässt die Haut wieder glatter werden, hilft bei älteren Menschen das Gedächtnis wieder aufzufrischen, bringt den Kreislauf wieder gut in Schwung.

Auf unserem Schulhof stehen zwei Ginkgobäume. Findet ihr sie? Einer von beiden trägt Früchte, es ist ein Mutterbaum. Bei den Ginkgos gibt es Mütter und Väter. Entweder Oder. Die Männerbäume bilden nur Blüten mit Blütenstaub, die Frauenbäume nur Blüten zum Fruchten. Wenn ihr einmal unter einem Ginkgo eine heruntergefallene Frucht findet, dann könnt ihr ein unvergessliches Erlebnis haben. Geht mal mit der Nase ganz ganz dicht heran, und riecht daran!

Im Herbst erkenne ich Ginkgobäume schon von weitem, einfach nur an der unverwechselbaren Farbe. Es ist ein sehr kräftig leuchtendes Gelb, das unsere Linden, Ulmen und Hainbuchen so nicht erreichen. Und im Winter kann man besonders gut den typischen Wuchs des Ginkgos sehen: der Stamm und die Äste wachsen gerne ein langes Stück einfach nur geradeaus, bevor dann erst wieder die nächste Verzweigung kommt.

Der Ginkgo

Alt ist mein Wuchs

und jung die Kraft,

die mir im

Innern wohnt.

 

Lang‘ schaue ich

auf manchen Sturm,

auf Sterben

und Entsteh‘n.

Neu fasse du

in deinem Grund

die Quelle

und den Strom.

Treu halte du

auf deinem Weg

lebendig,

was geschah.